Zum Rücktritt von Horst Köhler

Wie nicht anders zu erwarten waren viele Kommentare bei Twitter und den Blogs vom Ton und der Thematik her erstmal schadenfroh bis zynisch. Aus welchen Gründen auch immer, Horst Köhler war anscheinend bei vielen nicht sonderlich beliebt. Was dahingehend eigentlich als Erfolg zu werten ist, weil zu seinem Amtsantritt 2004 kannte ihn eigentlich niemand. Und wie heißt es so schön: Nur keine Publicity ist schlechte Publicity.

Natürlich hat Horst Köhler manchmal Scheiße verzapft und unpopuläre Standpunkte bezogen. Aber ich finde, genau das gehört seit jeher zu dem Berufsbild eines Berufspolitikers. Nennt mir einen langjährigen und hochrangigen Politiker, der nicht schon einmal, und sei es durch absolute Untätigkeit, negativ aufgefallen ist und den Spott und den Ärger der Medien und Bevölkerung auf sich gezogen hat.

Ich finde es einfach illusorisch anzunehmen, dass man ein hohes Amt in der Politik bekleiden kann ohne ständig an Konkurrenten, Positionen und Meinungen anzuecken. Und normalerweise eignen sich die Politiker in der Ochsentour durch die niedrigeren Ränge schon ein ausreichend dickes Fell an. Sieht man doch an der Merkel, wie gelassen, passiv und ungerührt die in dieser Phase der „Un-Politik“ auf ihrem Stuhl klebt. Fast so wie ihre große Ziehvater-Birne.

Horst Köhler allerdings ist mir allerdings, und das ist das eigentlich schöne, durchaus auch positiv aufgefallen, indem er Position gegen die derzeit aktuelle Regierung bezog. So wie 2006, als Köhler sich weigerte, der, bereits vom Bundestag beschlossenen, Privatisierung der deutschen Flugsicherung zuzustimmen und das Gesetz kurzerhand nicht ausfertigte. In Folge dessen wurde das Gesetz nicht umgesetzt, da dazu das Grundgesetz hätte geändert werden müssen. Und das war den Politikern dann wohl doch eine Nummer zu hoch. Oder 2007, als er sich so ziemlich gegen alle politischen Fronten stemmte und ankündigte, die Ratifikationsurkunde des EU-Grundlagenvertrages erst zu unterzeichnen, wenn die anhängige Klage vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden sei.

Es sind genau solche Aktionen, die für mich für das Amt des Bundespräsidenten typisch sind: Bei berechtigten Zweifeln auch mal gegen den politischen Willen des Bundestages und der eigenen Partei zu entscheiden und nicht immer seine Fahne in den Wind hängen zu müssen.

In diesem Sinne war Horst Köhler vielleicht nicht der beste Bundespräsident, den man sich vorstellen kann. Aber er war aufgrund seiner Fähigkeit, auch eigene Gewissentsentscheidungen zu treffen, bestimmt auch nicht der schlechteste. Vor allem wenn man bedenkt, was die politische Landschaft heutzutage für Alternativen anbietet.

Ich hoffe nur, wir werden in einigen Wochen den Rücktritt von Horst Köhler nicht allzu bitter bedauern müssen.

  1. Hatte mir heute schon vorgenommen, beim nächsten dummen Blog-Beitrag über Köhler auch zu bloggen. Die Überschrift wäre gewesen „Das Internet vergisst nie – die User schon“. Allerorts hagelt es Vorwürfe wie Fahnenflucht und Feigheit, dünnhäutig und mimosenhaft. Da du aber eben die Punkte aufzählt wie Köhler in der Vergangenheit eben sich gegen alle Mainstream Politik stellte beweist das Gegenteil. Deine Schlusssätze kann ich auch so unterschreiben.
    Interessieren würde mich nur was alles im Hintergrund ablief und noch abläuft, da Köhler eben kein Schleimer war muss es hier andere Gründe geben als die falsch Ausgelegten Kommentare zur Verteidigung der Wirtschaft.
    Mal schauen was nach kommt, besser wird es kaum werden.

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